Der Dialog als Vorgehen im Coaching 

In vielen professionellen Kontexten – sei es in der Coaching-Ausbildung, in Unternehmen oder bei gesellschaftlichen Veranstaltungen – wird zunehmend der strukturierte Dialog als Methode eingesetzt, um die Qualität der Kommunikation zu verbessern. Dabei handelt es sich nicht einfach nur um ein Gespräch, sondern um eine bewusst gestaltete Form der Verständigung mit klaren Regeln und einer besonderen Haltung.

Die Wurzeln des Dialogkonzepts reichen philosophisch tief. Bedeutende Denker wie der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber oder der Physiker David Bohm beschäftigten sich mit der Frage, wie Menschen zu einem echten Verstehen gelangen können – jenseits des bloßen Austauschs von Meinungen. Auch der amerikanische Forscher William Isaacs sowie deutschsprachige Vertreter wie Friederike Höher und Susanne Hartkemeyer trugen entscheidend zur praktischen Umsetzung des Dialogs in der Gruppenarbeit bei.

Im Zentrum des Dialogs steht der Sprechgegenstand – ein Symbol dafür, dass nur eine Person zurzeit spricht. Wer ihn in der Hand hält, hat das Wort, alle anderen hören zu. Dieses einfache Mittel verhindert Unterbrechungen, fördert aktives Zuhören und verlangsamt hitzige Diskussionen auf konstruktive Weise. Ein besonders unterhaltsames Beispiel aus der Praxis: Bei einem Kongress hatte der Moderator seinen Sprechgegenstand vergessen und griff kurzerhand zu einer edlen Peugeot-Pfeffermühle. Das unerwartete Objekt wurde sofort akzeptiert – und gab dem Dialog eine humorvolle, gleichzeitig verbindende Note.

Ein Dialog beginnt typischerweise mit einer Check-in-Runde, in der alle Teilnehmer eingeladen sind, ein erstes Statement zur gestellten Frage abzugeben – beispielsweise: Was bedeutet gute Führung für mich in Zeiten des Fachkräftemangels? Diese Phase ist freiwillig, niemand muss sprechen. Wichtig ist jedoch die Offenheit und die Möglichkeit zur persönlichen Einbringung.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs entfaltet sich der eigentliche Dialog. Zentrale Regeln unterstützen den Prozess: Es wird nicht unterbrochen, es wird von Herzen gesprochen, das Gesagte darf auch einmal „in der Schwebe“ bleiben. Letzteres bedeutet, dass nicht sofort Lösungen gesucht werden müssen, sondern dass es Raum gibt, um Themen wirken zu lassen. Eine tiefergehende Verständigung entsteht oft erst durch dieses Innehalten.

Zehn Kernfähigkeiten

Im Dialog gelten zehn Kernfähigkeiten:                                                                                                                         1. Eine lernende Haltung verkörpern: offen und neugierig sein                                                                                  2. Radikaler Respekt: Respekt gegenüber den Meinungen, Geschichten, Perspektiven der anderen, aber auch sich selbst, den Empfindungen, Gefühlen, Möglichkeiten und Grenzen gegenüber, denn alles das hat eine wertvolle Funktion                                                                                                                                                        3. Offenheit: eigene lange gehegte, vertraute Annahmen und Konzepte infrage stellen zu können und die Bereitschaft, das, was andere sagen, mit vorbehaltloser Offenheit aufzunehmen                                                      4. Sprich von Herzen: sich kurz fassen und nur das sagen, was tatsächlich am Herzen liegt: authentisch und wahrhaftig sprechen statt zu brillieren, zu theoretisieren, recht zu haben, einen Vortrag zu halten usw.                   5. Zuhören: dem anderen so vorbehaltlos zu lauschen, wie nur möglich: mit empathischer Zugewandtheit, ohne schon (besser) zu wissen und vorschnell zu urteilen                                                                                                   6. Verlangsamung: Schweigen zulassen                                                                                                                      7. Annahmen und Bewertungen suspendieren: Die spontanen Reaktionen, Körperempfindungen, Gefühle, eigene Meinungen und Urteile in der Schwebe halten, beobachten und aushalten, den „Autopiloten“ ausschalten, Differenzen ertragen, keine Antworten zu haben                                                                                                         8. Produktives Plädieren statt überzeugen zu wollen: Mitteilen, was zu einer Meinung und Position geführt hat, und andere einladen, sich diese Sichtweise vertraut zu machen; wissen, dass die eigene Sicht der Dinge nur eine mögliche ist und dass es viele andere gleichwertige Perspektiven gibt                                                               9. Eine erkundende Haltung üben: sich die Position des Nicht-Wissens zu eigen machen. Daraus resultieren echtes Interesse an den anderen in Neugier, Achtsamkeit und Bescheidenheit, ebenso interessierte Fragen.              10. Den Beobachter beobachten (Selbstreflexion): sich selbst wahrnehmen, die Geschichte, die Gegenwart, das Gegenwärtige, die Intention usw. einschließen                                                                                                      (Quelle: Höher, F. (2017): Resilienz…..beruhend auf Hartkemeyer, M. & J. F. / Dhority, F. (2001): Miteinander denken. Das Geheimnis des Dialogs. Klett Cotta: Stuttgart.)

Am Ende folgt der Check-out: Jeder hat noch einmal die Gelegenheit, ein abschließendes Wort zu sagen oder einfach in Stille weiterzugeben. Emotional belastende Themen können hier nochmals Raum bekommen, ohne dass Druck entsteht, sich äußern zu müssen.

Nach dem eigentlichen Dialog kann das Gesagte beispielsweise mit Karten visualisiert oder weiter moderiert werden – etwa wenn konkrete Entscheidungen anstehen. Doch dies ist dann bereits ein anderer Prozess, der eher in Richtung strukturierter Moderation geht.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Dialog ist eine wertvolle Methode, um in Gruppenprozessen mehr Tiefe, Verstehen und Verbindung zu erzeugen. Er hilft, auch schwierige Themen auf respektvolle Weise zu bearbeiten – und manchmal genügt dafür sogar eine Pfeffermühle.

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